Es gibt nur wenige Autoren, deren Veröffentlichungstermine rot in meinem Kalender eingetragen sind. Walter Moers gehört dazu, denn alles, was der Meister der Bücherträume schreibt, muss in meiner Sammlung landen. Gerade ist „Der Bücherdrache“ erschienen. Grund genug, einen Blick zurückzuwerfen, auf meinen ersten Moers-Roman und den Beginn einer großen Liebe.

„Eine Warnung. Hier fängt die Geschichte an. Sie erzählt, wie ich in den Besitz des Blutigen Buches kam und das Orm erwarb. Es ist keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen Nerven – welchen ich auch gleich empfehlen möchte, dieses Buch wieder zurück auf den Stapel zu legen und sich in die Kinderbuch-Abteilung zu verkrümeln. Husch, husch, ihr Kamillenteetrinker […]“

„Die Stadt der Träumenden Bücher“

 

Wie liebe ich diesen Einstieg. Was Walter Moers hier macht, ist sicherlich eine billige Masche, den Leser ab dem ersten Satz gefangenzunehmen. Billig, aber wirksam. Und bei mir hat sie gewirkt. Ich saß in meinem Lieblingsbuchladen, damals, während des Studiums in Erfurt. Immer, wenn ich auf dem Weg in die Heimat noch Zeit hatte, habe ich mich hier auf ein Sofa gesetzt und die Neuerscheinungen durchgeblättert. Als Studentin hatte ich nie Geld, aber immer gerade genug in der Tasche, wenn mich ein Buch anlächelte.

„Die Stadt der Träumenden Bücher“ hat mich nicht angelächelt. Sie hat mich in ihren Bann gezogen wie vor ihr nur „Die unendliche Geschichte“ und „Lord of the Rings“. Ich las diese ersten Zeilen, in denen Moers‘ schrulliger Erzähler Hildegunst von Mythenmetz seine Leser in Wunschleser und Geh-sofort-aus-meiner-Geschichte-raus-Kandidaten selektiert und hörte nicht mehr auf zu lesen. Ich hätte fast meinen Zug verpasst.

Die Welt der Bücher

Geschichten, die einen direkten Bezug zu Büchern haben, machen es vor allem jungen Leserratten leicht, sich zu verlieren. Ich habe mich damals in Michael Endes Bastian Balthazar Bux wiedererkannt, wollte auch nichts anderes machen, als mich in den fantastischen Welten, die andere für uns kreieren, zu verlieren. Walter Moers hat mich daran erinnert.

Doch anders als „Die unendliche Geschichte“ bestechen die Texte des Schriftstellers und Comic-Zeichners nicht durch ihre komplexen und tiefgründigen Geschichten. Das zu behaupten, wäre Quatsch. Was sie ausmacht, ist aber viel mehr der Spaß an der Wortspielerei. Die Lust, ganze Romane aus Anagrammen, Wortneuschöpfungen, Verbildlichungen gebräuchlicher Metaphern zu erschaffen. Unsere Sprache auf die Probe zu stellen, jeden Ausdruck zu hinterfragen und Wesen zu erschafffen, in dem wir Wörter wörtlich nehmen. Moers-Bücher sind eine Schnitzeljagd der Literatur. Ein Spielgarten voller Verweise und Anspielungen. Kurz, sie sind eine Liebeserklärung an unsere Sprache. Und das Figuren wie Mythenmetz dabei auch noch so wunderbar komisch sind, tut sein übriges. 

Worte sind zum Spielen da

In der „Stadt der Träumenden Bücher“ findet man Klassikerzitate genauso wie ein „Romanschreibmaschine“ genanntes Gerät, das die Idee der KI-Autoren vorwegnimmt. Wie in seinen Comics zeichnet Moers auch in seinen Romanen Geschichten. Er zeichnet sie mit Buchstaben statt mit Bleistift und Farbe. Und er fordert den Leser auf, sich auf das Spiel einzulassen. Wer das nicht kann und will, braucht die Bücher ja nicht zu lesen. 

Zu dem Mythos, den der Erfinder des Kaptain Blaubär mit seinem Zamonien erschafft, fügt er im wahren Leben natürlich einiges hinzu. Seit 2011 bereits ist „Das Schloss der Träumenden Bücher“ als Fortsetzung angekündigt und wird wohl nie kommen. Dafür erfreut er uns mit Kleinigkeiten wie dem Ende 2018 erschienenen „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“, einer kurzweiligen und ganz und gar unsinnigen Textsammlung des weihnachtlichen Wahnsinns.

Stellen Moers‘ Texte große Literatur da? Auf keinen Fall. Aber sie zeigen, dass wir das geschriebene Wort, dass sich Autoren nicht ganz so ernst nehmen sollten. Uns sie machen Spaß. 

Und so freue ich mich auf die neue Zamoniengeschichte, die bald hier eintreffen sollte.

 

Diese Webseite nutzt Google Analytics. Möchtest du nicht getrackt werden, klicke hier. Hier klicken um dich auszutragen.