Wir müssen reden – ein besonderes Selbsthilfeprojekt

Wir müssen reden – ein besonderes Selbsthilfeprojekt

Vor drei Jahren durfte ich helfen, ein besonderes journalistisches Projekt auf die Beine zu stellen: „Wir müssen reden!“, eine Themenwelt des Magazins move36, die junge Selbsthilfe in den Fokus nahm. Entstanden ist die Idee aus der Kooperation des Fuldaer Magazins mit der Barmer und dem Selbsthilfebüro Osthessen. Dieser Tage wird das Projekt abgeschlossen. move36 hat darüber einen wunderbaren Rückblick geschrieben. 

Ich möchte Menschen eine Stimme verleihen, die etwas zu erzählen haben, aber nicht die richtigen Worte finden. Mit diesem Ziel habe ich vor inzwischen über 15 Jahren meinen Weg in den Journalismus eingeschlagen. Mich interessierten immer die Geschichten, die andere übersehen. Das reale Leben, der Alltag, die Menschen, die sich für andere einsetzen. In Redaktionskonferenzen habe ich öfter mal den Kommentar geerntet: „Och Mariana, schon wieder so ein schweres, so ein ernstes Thema.“ Als mein damaliger Chefredakteur bei move36 also auf mich zukam und mir vorschlug, eine Themenwelt zu Selbsthilfe in unserem Jugendmagazin zu machen, wusste ich sofort: Das ist genau meine Welt.

Selbsthilfethemen für junge Leser aufzubereiten, ist nicht einfach. Geschichten über Schicksale, Erkrankungen, seelische Probleme sind nunmal nicht sexy. Sie zeigen uns unsere Schwächen auf. Sie lassen uns darüber nachdenken, dass das Leben für unser Gegenüber ganz anders aussehen kann, als es auf den ersten Blick erscheint. Das kann der Freund sein, der sich mit seiner chronischen Erkrankung herumschlägt. Das kann die Freundin sein, die in ihrer Abschlussarbeit prokrastiniert und von der keiner weiß, dass sie gegen ihre Depressionen kämpft. Oder der Mensch, der doch gerade noch jede Woche in diesem Café in der Ecke saß und plötzlich weg ist. Diese Geschichten zeigen uns aber auch, dass wir jeden Moment umarmen müssen. Das mag naiv und rosarot klingen, es ist aber eine sehr sinnvolle Herangehensweise an das Leben.

Selbsthilfe betrifft jeden

Mit Themen wie Burnout, chronischen Erkrankungen, dem Tod beschäftigen wir uns aber erst, wenn wir in irgendeiner Form selbst betroffen sind. Wenn jemand im Freundeskreis eine lebensverändernde Diagnose erhält. Wenn ein Freund in eine psychische Krise gerät. Wenn ein Familienmitglied unsere Hilfe braucht. Oder wenn wir selbst diese Person sind. Für uns war damals schnell klar, dass es nicht ausreicht, einfach „schöne“ Geschichten zu schreiben. Wir wollten unsere Leser erreichen. Denn wir wussten, dass die erste Reaktion auf Selbsthilfe in unserem Magazin sein würde „Dafür bin ich noch zu jung. Was geht mich das an?“.

In Form eines World Cafés haben wir mit Schülern der Gymnasialstufe der Richard-Müller-Schule in Fulda über Burnout gesprochen. Den ersten wirklich großen Stressmoment, die Abschlussprüfungen, schaffen die meisten noch gut. Aus den Gesprächen mit der Beratungsstelle der Hochschule Fulda wussten wir aber, dass die Sorgen und Probleme im ersten Semester dann plötzlich auf sehr viele junge Leute einprasseln. Diesem Punkt mit einer solchen Veranstaltung vorzugreifen, zu zeigen, wo es Hilfe gibt, war eine nachhaltige Herangehensweise.

Erfolg auf den zweiten Blick

Selbsthilfegruppen leiden oft unter dem Image, dass ihnen so anhaftet. „Hallo, ich bin der X, und ich habe ein Problem.“ Doch sie erfüllen eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Sie sammeln Wissen über Hilfsmöglichkeiten. Sie bringen Menschen zusammen, zeigen ihnen, dass sie nicht allein sind. Helfen, indem sie einen Ort schaffen, an dem man sich seinen Gefühlen stellen kann, ohne Angst zu haben.

Etwa 1,5 der inzwischen drei Jahre des Projektes habe ich als Leiterin der Themenwelt mitgestaltet. Und auch, wenn man den Erfolg, den Wert des Projektes nicht direkt in Leserzahlen, neugegründeten Selbsthilfegruppen und Lobhudeleien messen kann, war für uns doch spürbar, dass wir ankommen. Es kam nicht selten vor, dass ich an unseren Partnerschulen auf Themen aus diesem Bereich angesprochen wurde, dass mir Protagonisten erzählten, dass Freunde und Bekannte auf sie zugekommen seien, oder dass ich bei ganz anderen Recherchen auf Menschen stieß, die mir erzählten, dass eine Geschichte, ein Schicksal, sie zum Nachdenken gebracht habe.

Mit diesem Projekt hat die Medienmarke move36 in meinen Augen gezeigt, welche Verantwortung Medien tragen können. Sie hat auf sehr sensible Art Aufmerksamkeit auf ein Thema gelenkt, das so wichtig ist. Es hat aber auch dazu beigetragen, Selbsthilfegruppen zu zeigen, dass sie sich nicht verstecken dürfen. Ihre Themen offen anzusprechen, hilft so vielen Betroffenen, sich auch zu trauen, sich Hilfe zu suchen. Ich hoffe, dass dieses Projekt kein einmaliges bleibt.

Ein kleiner Einblick in „Wir müssen reden!“

  • In der Recherche am meisten berührt hat mich sicherlich unsere Geschichte zum Thema Borderline
  • Was trans* ist, habe ich mir von drei jungen Menschen erklären lassen.
  • Die wundervolle Lea Widmer hat mich an die Hand genommen und mir gezeigt, wie Fulda aussieht, wenn man eine Sehbehinderung hat.
  • Jana Crämer zeigt mit ihrem Buch „Das Mädchen aus der ersten Reihe“ und ihren Kanälen vielen Menschen mit Essstörungen, dass es wichtig ist, darüber zu sprechen und Hilfe anzunehmen. Sie hat mir erklärt, was Binge Eating ist und wie sie einen Weg gefunden hat, damit umzugehen.
  • Mario Dieringer pflanzt mit Trees of Memory Erinnerungsbäume für Menschen, die ihrem Leben eine Ende gesetzt haben und deren angehörigen. Seinen eigenen Weg hat er für mich skizziert.
  • Über unser World Café zum Thema Burnout haben wir auch im Magazin berichtet.
  • In unserem Podcast „Radio36“ aber auch im Magazin haben wir mit dem Selbsthilfebüro Osthessen darüber gesprochen, wie Selbsthilfe wirklich aussieht.

#WirvsVirus-Hackathon: 43000 Menschen, beeindruckende Ideen und Social Slam

#WirvsVirus-Hackathon: 43000 Menschen, beeindruckende Ideen und Social Slam

43000 Menschen, 48 Stunden und eine Aufgabe: Überlegt euch Lösungen, wie wir mit der Corona-Pandemie umgehen können! Deutschland hat am Wochenende wahrscheinlich einen der größten Hackathons der Welt erlebt. #WirvsVirus hieß er. Für mich war es der erste. Gemeinsam mit 13 wunderbaren Menschen habe ich an einer Plattform für Künstler*innen und Veranstalter*innen gearbeitet. Ob Social Slam wirklich umgesetzt wird, entscheidet jetzt die Jury.

Ein Hackathon? Das ist doch nur was für Leute mit Computerskills! Etwa das hätte ich noch vor ein paar Jahren gesagt, wenn ihr mich gefragt hättet, ob ich Lust habe, bei einem solchen Event mitzumachen. Ich kannte dieses Format nur aus dem IT-Bereich: Hacker stellen sich einem Problem und versuchen es mithilfe von Technologien zu lösen. Doch eigentliche hacken wir alle, wenn wir beispielsweise Apfelstücke mit in den Brotkasten legen, damit das Brot nicht fest wird. Wenn wir unsere Klamotten nach der Marie-Kondo-Methode falten. Wenn wir Wege finden, unsere Alltagsprobleme kreativ zu lösen. 

Der #Wirvsvirus-Hackathon war in vielerlei Hinsicht etwas Besonders. Nicht nur, dass er in wenigen Tagen aus einer Idee heraus aus dem Boden gestampft wurde. Nicht nur, weil er 43000 Menschen dazu bewegt, sich ein Wochenende lang mit vereinten Kräften damit zu beschäftigen, wie wir die Corona- oder Covid-19-Pandemie überstehen können. Er hat auf wunderbare Art gezeigt, wie viele großartige Ideen entstehen können, wenn Menschen ihre Fähigkeiten zusammenwerfen, alle Vorurteile vergessen und gemeinsam ein Ziel in den Fokus nehmen.

Freitag, das totale Chaos 

Als der Hackathon am Freitag, dem 20. März, startete, wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Ich habe mich mit ein paar Freunden angemeldet und gewartet, bis wir den Zugang zum Gruppenslack bekommen. Doch das scheiterte schon, denn niemand, wirklich niemand konnte damit rechnen, dass sich so viele Menschen anmelden würden. Während die Organisatoren also rotierten, um den Ansturm zu bewältigen, browste ich durch die eingereichten Projektideen und fühlte mich hoffnungslos überfordert. So viele Ideen, um Eltern, Selbstständigen, Künstler*innen, Älteren, dem Gesundheitssystem und so weiter helfen könne. Aber welche Idee könnte ausgerechnet mich gebrauchen?

Der Zugang war da, ich klickte mich durch die Gruppen. Schaute mal hier rein, fragte mal da, ob sie eine Texterin bräuchten. Es war schon gegen Mitternacht, als ich über ein Projekt stolperte, das bisher noch nicht viele Teilnehmer hatte, aber super klang: Social Slam. Die Idee: eine Plattform für Kreative, eine Bühne für zu Hause, der Weg, Kleinkunst in Zeiten der Covid-19-Krise zu unterstützen. 

Das Hacken startet

 

„Am besten stellen wir uns erst mal vor und schauen, wer was kann.“ Guter Anfang. Wir sind eine Gruppe von 14 Leuten mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Eine Historikerin ist dabei, Filmemacher*innen, Kommunikationsdesigner*innen, Layouter*innen und Grafiker*innen, Webentwickler und eine Journalistin und Texterin. Wir besprechen die Idee, und im Nullkommanix bin ich dabei, mit Tools und Menschen, die ich bis eben nicht kannte, ein Konzept für eine Plattform zu entwerfen, den anderen zuzuarbeiten und Texte für die Erklärungen, die Plattform selbst und die Dokumentation zu tippen. Ich lerne, was Wireframes sind und erkläre, worauf man bei Texten für Videos achten muss.

Plötzlich ist es Samstagnacht, und Social Slam nimmt irgendwie Formen an. Die Organisatoren rotieren immer noch. Schicken mal diese Info, mal jene, revidieren, beantworten Fragen und sind dabei immer ruhig und freundlich. Generell gehen hier alle großartig miteinander um. Ich erlebe niemanden, der in einer der Gruppen rumpöbelt, sich wichtig macht oder, wie sonst gefühlt gerade überall, irgendwelche Corona-Verschwörungstheorien streut. Die Leute hier haben ein Ziel: einen Beitrag leisten, um die Krise zu überstehen.

Vom Mindmap zur Plattform in wenigen Stunden.

Sonntagmittag spüren wir auch bei uns in der Gruppe die Anspannung steigen. Um 18 Uhr sollen die Videos hochgeladen sein, mit denen wir unsere Ideen pitchen. Mitternacht muss die Projektseite, die die Idee vorstellt und erklärt, wie weit wir in den 48 Stunden gekommen sind, stehen. Denn hier wird ja nicht zum Spaß gehackt. Aus den Tausenden Ideen sollen bis Ende dieser Woche die besten ausgewählt und umgesetzt werden. Während wir Fotos von uns mit „Wir bleiben zu Hause“-Sprüchen für Social-Media hochladen, hauen alle in die Tasten, telefonieren Künstler*innen ab, die uns mit Videos unterstützen und entwerfen Elemente. Ich bin fasziniert, wie aus der Idee Designs, Entwürfe und die Plattform selbst wächst. Natürlich als Prototyp und noch ganz grob. Aber es ist nur 35 Stunden her, da hatten wir nichts.

23.55 Uhr: Submit!

Die Uhr tickt. Unser Video ist online, unser Portfolio-PDF noch im Entstehen und die Zeit scheint zu rasen. Ich habe unseren Webentwickler auf einem Ohr und rede ihm gut zu, während ich die Texte gegenlese, nochmal hier und da neue Slogans mit den anderen Textenden und Layoutenden bespreche und gespannt immer wieder in die Kanäle schaue, damit wir auch nichts verpassen. Wirklich in den letzten Minuten ist unsere Projektseite soweit fertig, und wir sind es auch. Fix und fertig. 

Wie geht es weiter? Die Projekte werden in den nächsten Tagen von einer Jury bewertet. Die Projektvideos sind online und können von jedem angeschaut und kommentiert werden. Welche Idee ist gut? Was sollte sofort finanziert und umgesetzt werden? Welche Ideen doppeln sich und könnten zusammengelegt werden? Jeder kann sich auf Youtube beteiligen. Und wir drücken die Daumen, dass unsere Idee Zustimmung findet.

 

Social Slam

Weltweit entstehen Ideen, wie Kreative auf anderem Weg Fans erreichen. Wir wollen diese Angebote bündeln und einen Ort für das Streaming von Kultur schaffen. Diesen Künstler*innen wieder eine Bühne geben. Ihren Lebensunterhalt sichern. Sie brauchen ihr Publikum. Uns.

Im Rahmen des #Wirvsvirus-Hackathons haben sich 14 Leute gefunden, die 2,5 Tage gemeinsam an dieser Idee für die Herausforderung 0022_Kreative Berufe: Wie können wir Menschen in kreativen Berufen unterstützen? 20 Künstler haben uns mit ihren Videos bei der Entwicklung unterstützt, Unternehmen wie Salesforce haben uns mit technischen Ressourcen supportet.

Jetzt brauchen wir euch, um Social Slam umzusetzen. Ihr votet bis zum 26.03.2020 um 22 Uhr, ob unsere Idee umgesetzt werden soll. Auf Basis des Public Voting und der Einschätzung der Mentoren-Gruppen wird bis nächsten Sonntag eine Jury bestehend aus der Bundesregierung, der Zivilgesellschaft und der Tech-Community eine Auswahl der Projekte offiziell auszeichnen.

Danke für euer Like!

Stream social! Dein SocialSlam-Team

> Hier findet ihr alle Infos zum #Wirvsvirus-Hackathon

> Hier findet ihr unsere Projektseite.

> Hier findet ihr uns bei GitHub.

> Hier findet ihr unseren Prototype.

Die fünf Lieblingsfehler der Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit

Die fünf Lieblingsfehler der Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit

„Du kannst doch schreiben. Mach doch noch schnell eine Pressemeldung, okay?“ Gerade bei kleinen Unternehmen, Vereinen oder Gemeinden fehlen oft die Ressourcen für eine Pressestelle. Und dann wird der erstbeste Kollege verdonnert. Doch Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit macht meist mehr kaputt als sie bewirkt.

In meiner Zeit im Lokaljournalismus war es fast Alltag: Neue E-Mail: „Am (beliebiges Datum, mindestens zwei Wochen her) hat unser Verein sein (beliebiger Anlass)-Fest veranstaltet. Wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Bericht veröffentlichen würden. Beste Grüße XY“. Im Anhang eine Worddatei mit integriertem Bild und einem Text, der chronologisch erzählt, wer wann was gesagt hat, wer Musik gemacht hat und was es am Buffet gab. Wenn man Glück hat, ist eine Telefonnummer des Absenders angegeben. Wenn man noch mehr Glück hat, geht derjenige auch ans Telefon.

„Tu Gutes, und sprich darüber!“, heißt es. Gerade in kleineren Unternehmen, Vereinen, Organisationen, fällt dieses Darüber-Sprechen unglaublich schwer. Wo an sich schon wenige Helfer sind, das Geld knapp ist, steht Öffentlichkeitsarbeit ganz unten auf der Prioritätenliste. Doch ob ein Verein wahrgenommen wird, ob er beispielsweise genügend Spenden sammeln kann, um die eigene Arbeit am Laufen zu halten, ist eng damit verbunden, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentiert.

 

Wieso brauchen wir Öffentlichkeitsarbeit?

 

Vielleicht wäre das oben genannte Fest spannend für die Lokalpresse gewesen, weil der Verein beispielsweise gerade ein interessantes Jubiläum begeht. Vielleicht wurden Spenden für einen guten Zweck gesammelt. Vielleicht ist auf dem Fest etwas Ungewöhnliches passiert. Und selbst wenn all das nicht der Fall ist, selbst wenn aufgrund der Terminfülle an diesem Tag oder der geringen Besetzung kein Redaktionsmitglied hätte vor Ort sein können, würde eine konsequente Pressearbeit dazu führen, dass die Redaktion genau diesen Verein auf dem Schirm hat, wenn ein passendes Thema ansteht. Denn Journalistinnen und Journalisten sind Menschen. Sie schauen sich nach Gesprächspartnern zuerst dort um, wo sie jemanden kennen. Kommt die Information über eine Veranstaltung erst Wochen im Nachgang oder gar nicht, ist dann niemand für Nachfragen erreichbar und das geschickte Material für die Presse nicht verwendbar, landet der mühevoll geschriebene Bericht im Papierkorb. Vertane Zeit, statt eventuell neuer Unterstützung.

Natürlich erwartet niemand, dass jeder kleine Betrieb eine Vollzeitpressestelle hat, die sich um Ankündigungen, Netzwerke und eine Strategie für die Öffentlichkeitsarbeits kümmern kann. Doch wenn eine Person in der Runde quasi zur Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit verdonnert und dann im Regen stehengelassen wird, ist niemandem geholfen. Um auch bei wenig Zeit, finanziellen Mitteln und Personal eine gute Öffentlichkeitsarbeit zu organisieren, braucht es aber nicht viel.

Fünf Lieblingsfehler in der Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit

 

  • Lieblingsfehler Nummer 1 ist also der fehlende Kontakt zu den Journalistinnen und Journalisten der Medien, zu denen die Aktivitäten des Vereins oder der Organisation gut passen würden. Natürlich wird eine überregionale Zeitung eher selten über das 20-jährige Bestehen des Kleintierzüchtervereins schreiben. Orientieren Sie sich einfach daran, welche Medien Sie selbst nutzen. Rufen oder schreiben Sie die Redaktion einfach an, stellen Sie sich vor und bitten um einen Ansprechpartner. Dieser sagt Ihnen auch, was die Redaktion braucht, damit Sie sich keine unnötige Arbeit machen.
  • Schlechtes Timing: Wann schicken Sie die Informationen für Ihr Anliegen? Sobald die Planung startet? Einen Monat vor dem Anlass? Eine Woche? Einen Tag? Redaktionen sind eng verzahnte Gefüge, die langfristig und gut planen müssen, um im Ernstfall schnell und flexibel reagieren zu können. Schicken Sie Ihre Informationen daher nicht einmal, sondern mehrmals. Eine kleine Information frühstmöglich mit Ansprechpartnern dient dazu, dass Ihr Event im Kalender vermerkt wird. Dazu müssen noch nicht alle Programmpunkte feststehen. Eine Erinnerung eine oder zwei Wochen vor dem Event sollte genutzt werden, um zu erfragen, ob die Redaktion den Termin besetzen kann oder Sie selbst Material – und welches genau – liefern sollen.
  • Was soll ich schreiben? Mehr als ein Smartphone braucht es nicht, um Termine anzukündigen, live oder im Nachgang von Veranstaltungen zu berichten. Und Sie brauchen keine Romane zu schreiben. Die Antworten auf die W-Fragen (Was? Wann? Wer? Wieso? Wo?) und zwei, drei Zitate wichtiger Personen des Vereins und – mehr müssen Sie einer Redaktion nicht liefern, damit sie vernünftig arbeiten kann. Doch auch das vorzubereiten braucht Zeit, die Sie einplanen müssen.
  • Bilder sagen mehr als Worte. Das ist gerade bei Berichten über Veranstaltungen so. Bei einem Interview wollen wir den Sprechenden sehen, bei einem Fest ein wenig Stimmung, bei einem Vortrag den Vortragenden. Wichtig: Nicht 100 Bilder, aber auch nicht nur eins. Redaktionen brauchen Auswahl. Sowohl Hoch- als auch Querformat anbieten. IMMER den Fotocredit dazuschreiben und kurz beschreiben, wer auf dem Bild zu sehen ist. Und schicken Sie die Bilder als .jpgs im Anhang oder in Form eines Links auf einen Cloudordner.
  • Jetzt haben Sie sich die Mühe gemacht, Redaktionen Ihre Inhalte zu schicken, das Thema stößt auch auf Interesse, aber es gibt noch einige Nachfragen. Wenn Sie keinen Ansprechpartner in Ihren Informationen benannt haben, der dann auch wirklich erreichbar ist oder zurückruft, fliegt Ihr Bericht im Zweifel wieder aus der Ausgabe oder Sendung. Also überlegen Sie vorher, wer Fragen beantworten kann.

Wenn Sie diese fünf Fehler in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit vermeiden können, haben Sie schon viel gewonnen. Mit einer guten Struktur, geeigneten Vorlagen und einem auf Ihre Bedürfnisse abgestimmten Workflow können Sie sich die Arbeit so erleichtern, dass Ihre PR kein Angstthema mehr ist, sich professionell präsentiert und von der Nebenbei-Öffentlichkeitsarbeit zum festen Bestandteil Ihrer Tätigkeit heranwächst.

 

Welche Fragen haben Sie in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit? Welche Hilfestellungen wünschen Sie sich? Auf welche Probleme stoßen Sie? Schreiben Sie es mir in die Kommentare. Derzeit bereite ich mit einer Kollegin einen Kurs für dieses Thema vor, der genau diese alltäglichen Probleme aufgreifen soll. Sie wollen mehr Informationen dazu? Schreiben Sie mir gern eine Mail

 

Von gegenseitigem Verständnis – Journalisten, Behörden, Konsumenten

Von gegenseitigem Verständnis – Journalisten, Behörden, Konsumenten

Am Wochenende findet in Thüringen der Landesverbandstag des dortigen Deutschen Journalistenverbandes statt. Als eine der stellvertretenden Vorsitzenden werde ich natürlich dabei sein. Denn obwohl ich inzwischen in der Schweiz wohne, bin ich dem DJV treu geblieben und möchte mich auch weiterhin für unseren Berufsstand einsetzen. Das erscheint mir gerade jetzt wichtiger denn je.

Für die Diskussionsrunde auf dem Verbandstag haben wir den Präsidenten der Thüringer Polizei, Frank-Michael Schwarz, eingeladen. Denn immer wieder hören wir von Kollegen, dass sie in Ausübung ihrer Aufgabe, ihres Berufes nicht nur von Fakenews-Rufern, sondern auch von Beamten behindert werden. Pressefreiheit hin oder her. Die bezeichnendsten Beispiele der vergangenen Monate kamen sicherlich aus Sachsen, doch auch in Thüringen läuft die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos.

Vertrauen vs. die eigenen Rechte kennen

Ich spreche von Zusammenarbeit, denn in gewisser Weise arbeiten Behörden und Journalisten zusammen. Die Behörden sorgen für den Schutz der Bevölkerung, gerade Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr sind dem verpflichtet. Wir Medienschaffende sind für die Information zuständig. Unsere Aufgabe ist es, zu berichten, einzuordnen, zu analysieren, und so den Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Und damit schützen wir sie auch: vor Betrügern, vor Meinungsmachern, vor falschen Informationen. Polizist und Journalist sind also keine Feinde. Daraus leiten Leute, die Meinungen schüren wollen oder schlicht und einfach nicht hinterfragen, gern mal ab, wir Journalisten würden uns von Behörden und Politik die Texte diktieren lassen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Während meiner Volontärsausbildung in Südthüringen habe ich das auch immer so erlebt. Die Pressestellen der Polizei kannten ihre Journalisten vor Ort. Gab es einen Unfall, ein Feuer, ein Vorkommnis, war selbstverständlich auch der Lokalfotograf vor Ort. Die Fotografen und Videoredakteure, die ich damals erlebt habe, wussten, dass sie die Arbeit der Einsatzkräfte nicht zu behindern haben. Sie machten keine presseethisch unsauberen Bilder, waren keine Papparazzi. Sie kannten ihre Pflichten, aber genausogut ihre Rechte. Auf der anderen Seite kannten die Beamten vor Ort ihre Rechte und Pflichten, und wenn wirklich mal niemand vor Ort war, der ein Statement geben konnte, hat sich die Pressestelle schnell gekümmert. Doch ich habe auch anderes erlebt und erschrecke darüber, was Kollegen in den vergangenen Monaten so erzählen.

Gegenseitiger Respekt vor der Expertise des anderen

Damit dieses Miteinander funktioniert, braucht es Verständnis für und Vertrauen in das jeweilige Gegenüber. Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr müssen darauf vertrauen können, dass wir Journalisten sie als Experten ihres Faches ansehen, ihr Urteil ernst nehmen und respektieren, wenn Ermittlungsergebnisse ihre Zeit und Ermittlungen besondern Schutz brauchen. Auf der anderen Seite müssen wir Journalisten darauf vertrauen können, dass uns Einsatzkräfte und Behördenpressesprecher ernst nehmen, als Experten unseres Faches. Dazu gehört es, kein Medium einem anderen vorzuziehen. Die Arbeit der Berichterstatter nicht zu behindern oder zu unterbinden, weil Kollegen ja selbst mit dem Smartphone Bilder machen und schicken können oder Presseausweise, die immerhin vom Vorsitzenden der Innenministerkonferenz anerkannt werden, in Frage zu stellen.

Für ein solches Miteinander braucht es auf beiden Seiten gute Ausbildung, Feingefühl und,  das ist der wichtigste Punkt: Gespräche. Ein solches Gespräch darf ich am Samstag moderieren, worauf ich mich sehr freue. Denn es ist wichtig. Doch es darf nicht bei einer Diskussionsrunde in kleinerem Kreis bleiben. Die Gespräche außerhalb des Dienstes zwischen den Dienststellen vor Ort und den lokalen Journalisten vor Ort dürfen kein seltenes Vergnügen sein. Es braucht einen regelmäßigen Austausch über Dinge, die gut laufen, und Dinge, die nicht gut waren, um Verständnis zu festigen. Damit Journalisten wie Behörden nicht zum leichten Spielball für Meinungsmacher, Hetzer und Schreihälse werden. Damit Leser, Zuschauer und Hörer aus diesem gegenseitigen Vertrauen auch wieder Vertrauen in unsere Arbeit schöpfen können. 

Diese Webseite nutzt Google Analytics. Möchtest du nicht getrackt werden, klicke hier. Hier klicken um dich auszutragen.