Für uns ist es selbstverständlich, unsere Umwelt zu hören. Aber nicht für alle Menschen hört sie sich so an wie für uns. Was bedeutet es, nicht hören zu können? Das habe ich mir im wahrsten Sinne des Wortes angehört.
Wie klingt Weihnachten für Menschen, die nicht oder nur wenig hören können? Mit der Frage habe ich mich bisher nicht beschäftigt, bis mich eine Freundin mit ihren kleinen Söhnen zu einer Sondervorstellung im Züricher Circus Salto Natale eingeladen hat. Bei der Veranstaltung ging es darum, eine neue App für Gebärdensprache vorzustellen. Um die zu bewerben, hat der Hersteller gemeinsam mit dem Zirkusteam Interessierte zu einer etwas anderen Weihnachtsvorstellung ins Zirkuszelt eingeladen. Denn alle Nummern mit Sprache wurden von einer Gebärdendolmetscherin per Screen übersetzt, es gab Tanznummern ganz ohne Musik und sogar einen wirklich coolen irischen Kinderchor, der Weihnachtslieder in Gebärdensprache präsentierte.
In der ganzen Veranstaltung war ich wahrscheinlich eine der wenigen, die keine Gebärdensprache versteht. Gebannt habe ich weniger auf die Artisten als auf die Dolmetscherin gestarrt und versucht, die Zeichen zurück in meine Sprache zu übersetzen. Plötzlich schossen mir eine ganze Menge Fragen durch den Kopf. Wenn wir unseren Kindern das Sprechen beibringen, erzählen wir ihnen alles mögliche, bis sie es nachplappern. Kinder sehen, hören, imitieren. Genauso lernen sie lesen, schreiben, rechnen. Was mir nicht bewusst war: lesen lernen ist für Kinder, die nicht hören können, umso schwieriger. Welches Lesebuch gibt schon Zeichensprache zu den Worten, damit diese Kinder es leichter haben, zu verstehen?
Hör doch mal hin
Durch den Sohn meiner Freundin, der grade genau in dieser Sprechenlernphase ist, lerne ich, wie sich unsere Kommunikation anpasst, wenn ein Sinn eingeschränkt ist. Ich beobachte fasziniert, wie seine Eltern Sätze sowohl sprechen als auch in Gebärdensprache zeigen, damit er beides später kann. Dabei wird mir auch deutlich: Wir machen zwar inzwischen einiges für Menschen mit Behinderungen, aber gleichwertig und selbstbestimmt am Alltag teilnehmen können viele trotzdem noch nicht. Es gibt nicht viele Liveveranstaltungen, die auch in Gebärdensprache übersetzt werden. Es gibt für sehbehinderte und blinde Menschen zwar Leitliniensysteme, die werden aber keineswegs durchgängig und durchdacht gebaut. Wie viele Webseiten sind für Hilfsysteme wie Vorleseoptionen optimiert? Klar kostet das alles mehr, vor allem mehr Arbeit. mehr, aber es ist sinnvoll.
In ein paar Tagen ist Weihnachten. Die Zeit im Jahr, die wir abseits von all dem Geschenkewahn als diejenige deklariert haben, in der wir uns Zeit für unser Liebsten nehmen, in der wir uns Gedanken um diejenigen machen, denen es nicht so gut geht wie uns selbst. Eine Zeit, in der wir Nächstenliebe erlebbar machen sollen. Für mich gilt das zwar nicht nur zu einer bestimmten Zeit im Jahr, sondern jeden Tag. Aber vielleicht ist dieses Weihnachtsfest ein guter Anlass, den eigenen Horizont ein stückweit zu erweitern und einen kleinen Eindruck eines Kommunikationsweges zu erfahren, den ich bisher nur am Rande erlebt habe: Gebärdensprache.
Dazu gibt es derzeit in der Schweiz eine witzige Challenge. Promis, allen voran Christa Rigozzi rufen dazu auf, ein Weihnachtslied in Gebärdensprache zu lernen und auf den Social-Media-Kanälen zu posten. Hintergrund ist natürlich eine Aktion des App-Herstellers Huawei, um das neue Produkt zu bewerben. Aber es ist ein wirklich sinnvolle App und eine schöne Methode, auf unsere Mitmenschen aufmerksam zu machen.
Wie Weihnachtslieder in Gebärdensprache aussehen, könnt ihr euch hier anschauen:
Und wenn ihr selbst ein Lied in Gebärdensprache lernen wollt, kann ich euch Lauras Kanal empfehlen:
In diesem Sinne: Genießt die Tage vor dem Fest.