Jedes Jahr zum Tag der Pressefreiheit Anfang Mai laden der DJV Thüringen und die Friedrich-Ebert-Stiftung ein, über Aspekte des Journalismus im Freistaat zu diskutieren. Die diesjährige Diskussionsrunde „Kollege Algorithmus – wie künstliche Intelligenz die Pressefreiheit beeinflusst“ war eine außergewöhnliche. Erstmalig fand eine DJV-Thüringen-Diskussion als Onlineveranstaltung statt. Eine Premiere für alle Beteiligten. Auch für mich.
Eine Onlinediskussion zu moderieren, unterscheidet sich von einer Veranstaltung vor Ort durch zwei Aspekte: Zum einen arbeitet die Moderation ein Stück weit im Blindflug, denn die Diskussionsteilnehmer können nicht auf Blicke, kleine Zeichen oder explizites Luftholen reagieren. Auf der anderen Seite kann das Publikum nur beschränkt live reagieren. Als wir uns entschieden haben, unsere Veranstaltung „Kollege Algorithmus“ in ein Onlineformat umzubauen, mussten wir all das bedenken. Doch ich bin froh, dass der DJV den Mut hatte, denn die Herausforderung war es wert.
Warum wollten wir uns mit KIs beschäftigen?
In vielen Medien wird der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) oft leichtfertig für alles verwendet, was irgendwie automatisiert passiert. Im Journalismus ist Automatisierung längst Alltag. Die wenigsten Redaktionen tippen noch alle Fußballergebnisse selbst in das Redaktionssystem oder erstellen jedes Evente für ihre Veranstaltungskalender händisch. Selbst Fußballberichterstattungen, Wetterberichte und ähnliches lassen sich inzwischen mithilfe technischer Lösungen wie von Zauberhand erstellen. Fällt diese Fließbandarbeit weg, können sich die Kollegen mehr auf das konzentrieren, was das journalistische Handwerk ausmacht: Recherche, Einordnung, Berichterstattung. Doch KIs können mehr. Sie können ganze Texte schreiben.
Automatisierungen in den Medien
Der Schweizer Verlag Tamedia und die Nachrichtenagentur Keystone arbeiten seit einiger Zeit mit Künstlichen Intelligenzen, die aus Textbausteinen Inhalte für verschiedene Zielgruppen erstellen. Die „Stuttgarter Nachrichten“ wurden für ihren Feinstaubradar, der ebenfalls mithilfe von Automatisierung minutenaktuelle Werte ausgibt, 2018 ausgezeichnet. In der NOZ-Gruppe werden individuelle Wetterberichte erzeugt.
Doch wie kann der Leser unterscheiden, ob Texte durch einen Redakteur erstellt wurde? Bisher gar nicht. Wie schnell das schiefgehen kann, wenn niemand die automatisiert erstellten Texte prüft, zeigte 2017 die Eilmeldung der „Los Angeles Times“ zu einem Erdbeben. Das hatte nicht, wie gemeldet, in der Nacht, sondern 100 Jahre früher stattgefunden und wurde durch einen Fehler im System als aktuelle Meldung veröffentlicht worden.
Wie genau diese Automatisierungen geschehen, welche gesetzlichen Regelungen wünschenswert oder nötig wären und was Leser und Journalisten wissen sollten, ist bisher ungeklärt. Gerade weil aber so viele Missverständnisse kursieren, wollten DJV und Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) darüber diskutieren, inwiefern Automatisierungen die Pressefreiheit beeinträchtigen können.
Gibt es den Kollegen Algorithmus in Thüringen?
In Weimar ist Prof. Christopher Buschow von der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität der Ansprechpartner für dieses Thema. In seiner Forschung, aber auch in seiner Forschungskommunikation via LinkedIn, beschäftigt er sich mit der Rolle der Medien im Zeitalter der Digitalisierung. Im Impulsvortrag definierte er die wesentlichen Begriffe und brachte alle Teilnehmer der Runde auf einen Wissensstand. Denn wie die DJV-Vorsitzende Heidje Beutel betonte, im journalistischen Alltag Thüringens ist das Thema noch vielbesprochenes Neuland. Trotzdem, so machte Dr. Thomas Hartung, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag, müsse man sich schon jetzt politisch mit den Auswirkungen beschäftigen.
Viel Spaß beim Anschauen der Diskussionrunde.
Der DJV Thüringen berichtete unter anderem auf seinem Twitteraccount.